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Die Ordnung der Geißelspinnen (Amblypygi)


Phrynus whitei

Geißelspinnen gehören zu den Spinnentieren (Arachnida) und bilden eine eigene Ordnung, welche am nähesten mit der Gruppe der Geißelskorpione und Zwerggeißelskorpione (diese beiden Ordnungen bilden die Gruppierung der Uropygi)* und den Webspinnen (Aranae) verwandt ist (Dunlop, 2010; Shultz, 2007; Weygoldt, 2000).
Zum genauen Verwandtschaftsverhältnis dieser drei Taxa gibt es verschiedene Auffassungen. Nach einer Auffassung bilden die Amblypygi und Uropygi Schwestertaxa, welche zusammen die phylogenetische Einheit der Pedipalpi darstellen, die das Schwestertaxon der Aranae darstellt (Giribet et al., 2002; Shear et al., 1987; Shultz, 1999; Shultz, 1990; Shultz, 1989). Die augenscheinlichsten Argumente, die für diese Hypothese sprechen, sind die Anwesenheit von Pedipalpen, die zu bedornten Fangarmen umgewandelt wurden sowie das stark elongierte, antenniforme erste Laufbeinpaar (Shear et al., 1987).
Eine andere Hypothese geht von einer näheren Verwandtschaft der Amblypygi zu den Aranae aus, wobei diese beiden Taxa die phylogentische Gruppierung der Labellata darstellen, welche das Schwestertaxon der Uropygi darstellt (Weygoldt & Paulus, 1979; Wheeler & Hayashi, 1998). Diese Hypothese fundiert hauptsächlich auf das Vorhandensein eines Saugmagens und einer engen Einschnürung zwischen Pro- und Opisthosoma, die beiden Taxa gemein ist (Weygoldt & Paulus, 1979; Wheeler & Hayashi, 1998). Die gemeinsame Einordnung der Ambly- und Uropygi in die Gruppe der Pedipalpi wird allerdings bevorzugt, da diesen beiden Taxa auf muskulärer Ebene eine Vielzahl abgeleiteter Merkmale gemein ist (Dunlop, 2010; Shultz, 2007; Shultz, 1999; Shultz, 1990; Shultz, 1989).
Das namensgebende charakteristische Merkmal der Geißelspinnen ist das stark elongierte erste Laufbeinpaar, das im Kontrast zur Situation bei Webspinnen nicht mehr zur Fortbewegung genutzt wird. Eine Elongation des ersten Laufbeinpaares ist auch bei den Uropygi wiederzufinden, jedoch bei weitem nicht im gleichen Ausmaß. Das ständige Bewegen dieses ersten Laufbeinpaares, welches dem Tasten, der Chemorezeption und Kommunikation mit Artgenossen dient, mag an das Schlagen einer Geißel erinnern (Weygoldt, 2000).
Charakteristisch für Geißelspinnen sind ebenfalls die zu bedornten Fangarmen umgewandelten Pedipalpen, die bei manchen Arten beachtliche Längen erreichen können; solch ähnlich zu Fangarmen umgewandelte Pedipalpen sind auch bei den Geißelskorpionen wiederzufinden.
Eines der prominentesten Merkmale, durch welches Geißelspinnen leicht von Geißelskorpionen unterschieden werden können, ist das ersteren ein zu einem „Schwanzanhang“ umgebildetes elongiertes vielgliedriges Telson fehlt (Weygoldt, 2000).
Die Patella ist bei Geißelspinnen stark reduziert und übernimmt hier nur noch die Funktion einer Sollbruchstelle für Autotomie (Abwerfen eines Körperteils), sollte ein Bein eingeklemmt oder von einem Fressfeind ergriffen worden sein (Weygoldt, 2000).
Geißelspinnen besitzen weder Gift- noch Spinndrüsen (Weygoldt, 2000).
Die Ordnung Amblypygi stellt die einzigen Spinnentiere dar, bei denen beide Geschlechter auch noch nach dem Erreichen der Geschlechtsreife weitere Häutungen durchmachen, bei denen sie auch an Größe gewinnen (Weygoldt, 2000).
Der Körper dieser Tiere ist dorso-ventral stark abgeflacht, wodurch sie gut tagsüber in Ritzen oder unter abschilfernder Baumrinde Schutz finden um nachts aktiv zu werden (Weygoldt, 2000).
Die Ordnung der Geißelspinnen ist relativ artenarm (Harvey, 2003; Weygoldt, 2000). Geißelspinnen sind hauptsächlich in tropischen und subtropischen Gebieten verbreitet und nur wenige kommen in temperierten Zonen vor. In Europa sind Geißelspinne nur mit der Art Charinus ionnaticus auf den griechischen Inseln Kos und Rhodos vertreten (Harvey, 2003; Weygoldt, 2000).

* Der Begriff Uropygi s. l. (=Camarostomata) umfasst hier die phylogenetische Einheit aus den beiden Ordnungen Thelyphonida (Geißelskorpionen) und den Schizomida (Zwerggeißelskorpionen). Da lange diskutiert wurde, ob es sich bei den Zwergeißelskorpionen und Geißelskorpionen um Unterordnungen der Ordnung Uropygi handelt (Rowland & Cooke, 1973) und die Bezeichnung Uropygi für eine Ordnung genutzt wurde und wird, die Geißel- und Zwerggeißelskorpione (Dunlop, 2010; Schultz, 2007) oder unter Ausschluss der Zwerggeißelskorpione nur die Geißelskorpione umfasst (Harvey, 2003), kann es zu Missverständnissen kommen. Da in rezenten phylogenetischen Publikationen (Dunlop, 2010; Schultz, 2007) der Begriff Uropygi als Bezeichnung für eine phylogenetische Einheit genutzt wird, die die Ordnungen der Geißelskorpione und der Zwerggeißelskorpione umfasst, wird hier der Begriff Uropygi in diesem Sinne genutzt. In diesen Publikationen wird die Ordnung der Geißelskorpione als Thelyphonida bezeichnet, was hier übernommen wird. Um Unklarheiten zu vermeiden kann die Bezeichnung Petrunkevitch's (1949) Camarostomata für die phylogenetische Gruppierung aus Thelyphonida (Geißelskorpionen) und den Schizomida (Zwerggeißelskorpionen) genutzt werden, jedoch ist diese kaum in Gebrauch (Dunlop, 2010).

Literatur

Dunlop, J. A. (2010). Geological history and phylogeny of Chelicerata. Arthropod structure & development , 39, 124-142.

Giribet, G., Edgecombe, G. D., Wheeler, W. C., & Babbit, C. (2002).Phylogeny and systematic position of Opiliones: a combined analysis of chelicerate relationships using morphological and molecular data. Cladistics, 18, 5-70.

Harvey, M. S. (2003) Catalogue of the Smaller Arachnid Orders of the World. CSRIO Publishing, Collingwood.

Rowland, J. M. & Cooke J. A. L. (1973). Systematics of the Arachnid Order Uropygida (=Thelyphonida). Journal of Arachnology, 1, 55-71.

Petrunkevitch, A. (1949). A study of Palaeozoic Arachnida. Transactions of the Conneticut Academy of Arts and Sciences, 37, 69-315.

Shear, W. A., Selden, P. A., Rolfe, W. D. I., Bonamo, P. M., & Grierson, J. D. (1987). New terrestrial arachnids from the Devonian of Gilboa, New York (Arachnida, Tricgonotarbida). American Museum Novitates, 2901, 1-74.

Shultz, J. W. (1989). Morphology of locomotor appendages in Arachnida: evolutionary trends and phylogenetic implications. Zoological Journal of the Linnean Society, 97, 1-56.

Shultz, J. W. (1990). Evolutionary morphology and phylogeny of Arachnida. Cladistics, 6, 1-31.

Shultz, J. W. (1999). Muscular anatomy of a whipspider, Phrynus longipes (Amblypygi), and its evolutionary significance. Zoological Journal of the Linnean Society, 126, 81-116.

Shultz, J. W. (2007). A phylogenetic analysis of the arachnid orders based on morphological characters. Zoological Journal of the Linnean Society, 150, 221-265.

Weygoldt, P. (2000). Whips Spiders (Chelicerata: Amblypygi). Their Biology, Morphology and Systematics. Apollo Books, Stenstrup, DK.

Weygoldt, P., & Paulus, H. F., 1979. Untersuchungen zur Morphologie, Taxonomie und Phylogenie der Chelicerata. Zeitschrift für zoologische Systematik und Evolutionsforschung, 17, (85-116), 177-200.

Wheeler, W. C., & Hayashi, C. Y. 1998. The phylogeny of the extant chelicerate orders. Cladistics, 14, 173-192.

F. Schramm, verfasst 2011