. .

Die Augen des Skorpions


Die zwei Median- und sechs Lateralaugen von Hottentotta buchariensis

Die Hauptorgane visueller Wahrnehmung der Skorpione sind die zwei Median- und die Lateralaugen, nebst einem extraokularen lichtsensitivem Sinn im Metasoma (Zwicky, 1968). Erstere sind mittig und paarig leicht versetzt von der medianen Ebene des Carapax angeordnet, abhängig von der Art können sie aber auch deutlich nach hinten verschoben sein (Polis, 1990, p.30). Die Anzahl der Lateralaugen eines Skorpions ist recht variabel und bewegt sich zwischen null und zehn Stück, diese befinden sich meist ebenso paarig angeordnet am anterolateralen Rand des Carapax (Polis, 1990, p.30). Es existieren jedoch auch verhältnismäßig wenige Spezies, die durch die Anpassung an dunkle Lebensräume sowohl ihre Median- als auch Lateralaugen verloren haben.

Eine komplett augenlose Skorpionart: Belisarius xambeui

Die Medianaugen bestehen aus einer von außen gut sichtbaren Linse, welche getrennt durch eine präretinale Membran auf einer Glaskörperschicht aufliegt (Machan, 1967). Hinter dieser befinden sich die die optischen Reize aufnehmenden, stabförmigen Photorezeptorzellen (Retinula) der Retina.
Die Retinula-Zellen sind distal (also am Glaskörper angrenzend) rundum mit Rhabdomeren, einem Saum aus Zellfortsätzen, versehen, welche zwischen vier und sechs Retinulazellen zu einem Komplex verbinden - die einzelnen Komplexe sind nicht weiter durch Rhabdomere miteinander verbunden (Schliwa und Fleissner, 1980). Innerhalb der Retinula-Zellen befinden sich eine Vielzahl von Pigmentgranulen, die unter gewissen Bedingungen wandern, proximal innerhalb der Zellen befindet sich der Zellkern, außerhalb setzt proximal der optische Nerv an. Die einzelnen Retinula-Zellen sind ferner vereinzelt von Pigmentzellen umgeben und werden in ihrer Gesamtheit, die Retina also abschließend, von einer postretinalen Schicht umfasst (Machan, 1967).

Die Lateralaugen des Skorpions weisen deutliche Unterschiede zu diesem Aufbau auf. Bei ihnen fehlt der Glaskörper gänzlich und alle Retinula-Zellen sind durch die Rhabdomere zu einem gesamtheitlichen Retinula-Komplex verbunden (Schliwa und Fleissner, 1980). Weiter ist auch die postretinale Schicht der Lateralaugen mit Pigmentzellen versehen (Machan, 1967). Letztlich besitzen die Lateralaugen untereinander keine direkte Nervenverbindung, wohingegen beide Medianaugen durch einen direkten Nervenstrag in Verbindung stehen (Machan, 1967).

Der Gattungsname suggeriert bereits die nach hinten verschobenen Medianaugen: Opistophthalmus glabrifrons

Das Fehlen des Glaskörpers und der hohe Vernetzungsgrad der Retinula-Zellen innerhalb der Lateralaugen führen zu einer reduzierten optischen Schärfe (physikalisch durch das Fehlen des Glaskörpers, neurologisch durch das Auslösen von optischen Reizen nebenliegender Retinula-Zellen) und legt damit nahe, dass Lateral- und Medianaugen zwei unterschiedliche biologische Rollen erfüllen (Schliwa und Fleissner, 1980). Ferner ermöglicht der optische Aufbau der Lateralaugen nur eine ungenaue räumliche Auflösung (Carricaburu, 1968).
Eine mögliche Erklärung dieser Zusammenhänge ist, dass die Lateralaugen als Lichtsensoren zum Einsatz kommen und primär als Zeitgeber für den ciradianen Rhythmus (innere Uhr) verwendet werden (Fleissner, 1977a). Indizien dafür sind neben durchgeführten physiologischen Experimenten auch die Tatsache, dass die Lateralaugen unter anderem durch die hohe Vernetzung der Retinula-Zellen eine deutlich höhere Lichtsensitivität als die Medianaugen aufweisen und Helligkeitsunterschiede selbst bei geringer Intensität auflösen können (Fleissner, 1977b).
Außerdem stellt sich heraus, dass die Pigmentgranulen innerhalb der Retinula der Skorpionaugen im circadianen Rhythmus wandern - bei Tag befinden sie sich primär am distalen Ende in der Nähe des Glaskörpers und erfüllen somit eine Abschirmfunktion, bei Nacht konzentrieren sie sich in der Nähe des Zellkernes (Schliwa und Fleissner, 1980). Diese Wanderung reduziert sich im Falle der Lateralaugen sehr stark, wenn die Tiere permanenter Dunkelhaut ausgesetzt sind, während die Wanderung in den Medianaugen fast unverändert fortbesteht (Fleissner, 1974). Die Lateralaugen reagieren also deutlich adaptiver auf Helligkeits-Reize als die Medianaugen.
Dies spiegelt sich auch bei den absoluten Sensitivitäten der Median- und Lateralaugen wieder. Während die Sensitivität der Medianaugen von Testtieren in der Tagphase bei 2,7e-3 cd/m² lag und in der Nachtphase keine signifikante Steigerung zeigte, stieg die Sensitivität der Lateralaugen in der Nachtphase von 5,5e-3 cd/m² auf 0,86e-3 cd/m² und vereinzelt sogar auf 0,35e-3 cd/m² - Sensitivitäten, die die des menschlichen Auges überschreiten (Fleissner, 1977b).
All diese Einsichten erlauben die Vermutung, dass Skorpione somit über zwei unterschiedliche visuelle Systeme verfügen - eins mit hoher Schärfe und guter räumlicher Auflösung (Medianaugen) und eins mit hoher absoluter Sensitivität (Schliwa und Fleissner, 1980).

Quellenangaben

Fleissner, G. (1974). Circadiane Adaptation und Schirmpigmentverlagerung in den Sehzellen der Medianaugen von Androctonus australis L. (Buthidae, Scorpiones). J. Comp. Physiol. 91, 399-416.

Fleissner, G. (1977a). Scorpion lateral eyes: extremely sensitive receptors of Zeitgeber stimuli. J. Comp. Physiol. 118, 101-108.

Fleissner, G. (1977b). The absolute sensitivity of the median and lateral eyes of the scorpion Androctonus australis L. (Buthidae, Scorpiones). J. Comp. Physiol. 118, 109-120.

Machan, L. (1967). Studies on the structure and electrophysiology of scorpion eyes. South African Journal of Science (Dec), 512-520.

Polis, G.A. (1990). The Biology of Scorpions. Stanford University Press, Standford, California.

Schliwa, M. und Fleissner, G. (1980). The Lateral Eyes of the Scorpion, Androctonus australis. Cell Tissue Res. 206, 95-114.

Zwicky, K.T. (1968). A light response in the tail of Urodacus, a scorpion. Life Sci. 7, 257-262.

F. Schmitz, verfasst 2012